Die Personalakte des Hausmeisters

1964:

DER HAUSMEISTER (rechts im Bild) ist noch klein und hilflos. Letztere Eigenschaft hat sich bis heute erhalten. Auch die markante Nasenpartie ist bereits angelegt. Statt fragwürdige Psychopharmaka anzuwenden, versucht die Mutter mit Hilfe einer Schlaggitarre ihren Sohn ruhig zu stellen. Schon nach wenigen Jahren zeigen sich erste Erfolge und das wunderliche Kind ist in der Lage, bis zu drei Harmonien allein am Geräusch zu unterscheiden. Diese außergewöhnliche Fähigkeit sollte sich im späteren Leben als sehr hilfreich erweisen.

1970:

DER HAUSMEISTER ist mit seinem Dasein rundum zufrieden, doch sein Schicksal nimmt eine vermeintlich grausame Wendung. Da er zu blöd ist, sich bei der Einschulungsuntersuchung blöd anzustellen, gilt er nicht als blöd und muss fortan in die blöde Schule gehen. Dieses Jammertal der menschlichen Entwicklung meistert ein ostdeutscher Junge nur mit körperlicher Kraft (Sport) oder Intelligenz (Mathe). Das untergewichtige Einzelkind erkennt jedoch schnell, dass beide Disziplinen nicht zu seinen Stärken gehören. Es gelingt ihm erfolgreich, durch die Umkehrung der Niederlagen ins Positive von seinen Schwächen abzulenken. Auch dieses Talent sollte später sein Leben erleichtern. Selbst heute noch basiert die gesamte Politik unseres Landes auf diesem Grundprinzip.

Mit jener Erkenntnis tritt er in die Jungen Pioniere, die Thälmann Pioniere und schließlich in die FDJ ein. Sicher hätte auch er das Zeug dazu gehabt, Bundeskanzlerin zu werden. Die musikalische Früherziehung mit der Schlaggitarre verhinderte jedoch Schlimmeres.

 

 

 

1980:

Es wird nun Zeit, einen anständigen Beruf zu erlernen. Sein übersteigertes Interesse an modernster Tontechnik, Funktechnik und Mikroelektronik lässt ihn den Beruf des Facharbeiters für Nachrichtentechnik ergreifen. Beim Fernmeldeamt Leipzig justiert er im maroden Hinterhofgebäude eines bewohnten Abbruchhauses das Flachrelais 48, den Nummernschalter des W 58 und erlernt schließlich voller Enttäuschung die hohe Kunst, einen Telefonmasten fachgerecht einzugraben und hernach zu besteigen. Die Firma heißt jetzt Telekom und zumindest die Technik hat sich zum Positiven verändert.

Vielleicht hätte er lieber Gitarrist werden sollen?

Da er mittlerweile schon vier Akkorde mit verbundenen Ohren unterscheiden kann, sind ja die besten Voraussetzungen dazu gegeben. Doch der direkte Umgang mit dem Instrument verursacht nicht nur seelische, sondern auch körperliche Schmerzen. Schon in den ersten Minuten des Übens taten ihm die Fingerkuppen derart weh, dass die schier unerträgliche Pein das empfindliche Wesen des sonst so unerschrocken wirkenden HAUSMEISTERs zu tiefst erschüttert. Ein anderes Instrument muss her, aber welches?

1983:

Nach Schule und Lehre droht neues Ungemach. Der junge HAUSMEISTER (60 Kilo) muss nun die schwerste Prüfung seines Lebens bestehen, den Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee. Um sich darauf gründlich vorzubereiten, greift er zum Äußersten, zu einem Buch! Nach der Lektüre von Jaroslav Haseks Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk, können ihn die völlig sinnfreien Absurditäten des militärischen Alltags nicht aus der Bahn werfen. Im Gegenteil! Ein Leidensgenosse - man musste sich damals mit Genosse anreden lassen - hat eine Schlaggitarre dabei und ist bereits in der Lage, diese relativ schmerzfrei zu betreiben.

Für den HAUSMEISTER (unterer Bildrand) findet sich dann ein altes Akkordeon und beide üben Abend für Abend im Waschraum, da es auf der Stube niemand ertragen kann. Von dieser kulturellen Ignoranz beflügelt, begeistert sich DER HAUSMEISTER fortan für Tasteninstrumente.

 

 

 

1984:

Eine italienische Heimorgel Namens FARFISA wird angeschafft und ohne auch nur ansatzweise zu wissen, was dies für einen jungen und unverbrauchten Menschen bedeutet, tritt DER HAUSMEISTER einem Karnevalsverein bei. Im Programm des Grünauer Garneval Glubs (GGG) werden nun erstmals unbescholtene Bürger, die eigentlich nichts verbrochen haben, seinen musikalischen Machwerken schutzlos ausgeliefert. Daran hat sich bis heute nichts geändert. 

1985:

Inspiriert durch die Sächsische Hitparade des Leipziger Kabaretts academixer, gründet DER HAUSMEISTER zusammen mit seinem Schlaggitarristen aus der Armeezeit, Jens Leovsky, aus Spaß das legendäre Versandhausorchester Leipzig.

Das gesamte „Orchester“ besteht nur aus zwei Personen. In der Folgezeit werden unter der Leitung von Thomas Eichenberg fünf eigene Titel beim Sender Leipzig produziert, welche erfolgreich im Radio laufen. (so auch: An der Grünau Küste  ...bis heute DIE Hymne des Kulkwitzer Sees)

1986:

Allein durch den legalen Besitz des Keyboards YAMAHA DX 7 wird DER HAUSMEISTER für die Leipziger Rockband TARANTULA interessant. Zu diesem angesagten Kult-Instrument der achtziger Jahre, verfügt er auch noch über ein eigenes Auto und wird somit eingestellt. (Wartburg 311, Baujahr 1961)

In dieser, für ihn prägenden Zeit, lernt DER HAUSMEISTER wie man liegengebliebene Fahrzeuge wieder flott macht, Kabel richtig zusammenrollt (ohne Gungsen), den Bandbus (ROBUR) lackiert, beschriftet, einen spontanen Motorbrand löscht und solch ein rostiges Ungetüm durch Muskelkraft am Hermsdorfer Kreuz anschiebt. Nebenbei lernt er Keyboard spielen.

1988:

Nach dem sich die Kaderschmiede mitteldeutscher Rockkultur TARANTULA freiwillig auflöst, wechselt DER HAUSMEISTER zur Tanzmusik. Es gibt weniger Autopannen und mehr zu Essen. Letzteres ist auch dringend notwendig. Nach 60 Kilo NVA-Gewicht ist er zwar bereits bei 65 Kilo angekommen, aber von seiner Traumfigur immer noch weit entfernt.

Seine neue Band heißt MADRIGAL (links) und wird auf Anraten des Versandhauses Quelle später in DREAMTIME umbenannt. Dieses hervorragende Volkskunstkollektiv tourt  bundesweit durch das wiedervereinigte Deutschland und begleitet zusammen mit dem Sender RTL die Eröffnung aller neuen Quelle-Shops. DER HAUSMEISTER spielt nun in einem echten Versandhausorchester. Auch das Wort Quelle sollte nicht an Bedeutung verlieren.

1995:

Geschafft! Der 1,83 Meter große HAUSMEISTER wiegt nun endlich 70 Kilo. Um das angestrebte Wunschgewicht zu halten, wechselt er zu Kelly & Co – Tanzmusik vom Feinsten. Die einstigen Erfahrungen bei der Reanimation liegengebliebener Fahrzeuge können auch hier eingesetzt werden und DER HAUSMEISTER lernt, wie man durch gekonntes Rufen von „huhhh“ und „hahhh“ in ein Shure Mikrofon vom Typ SM 58 die gesangliche Leistung der Solisten wohlwollend unterstützen kann.

Aus juristischen Gründen wird dieser hervorragende Klangkörper später in Tommy & Co umbenannt. Böse Zungen behaupten, dies hätte etwas mit dem freiwilligen Ausscheiden der Sängerin Kelly Weichsel zu tun. Unsinn!?

2003:

DER HAUSMEISTER erkennt, dass es durch rhythmisches Drücken zweifarbiger Tasten an einem Plastikklavier niemals gelingen wird, unsere Welt nachhaltig zu verbessern. Es beginnt eine schöpferische Pause, eine Zeit der Besinnung auf das Wesentliche.

2007:

Nach unzähligen schlaflosen Tagen wird er eines Morgens wach und hat die wahrhaft göttliche Eingebung, fortan als DER HAUSMEISTER Gutes zu tun und die Bewohner des Mitteldeutschen Abendlandes in netter Form auf den richtigen Weg zu bringen.

Um den finanziellen Rahmen dieser gewagten Unternehmung nicht ins unermessliche auszudehnen, besinnt er sich auf seinen alten Kittel aus der Lehrzeit beim Fernmeldeamt Leipzig (gibt es nicht mehr), einen unmodernen Herrenhut, welcher einst in seiner Stammkneipe Zur Guten Quelle (gibt es nicht mehr) liegengeblieben war und investiert schließlich nach reiflicher Überlegung 2,99 Euro aus dem Privatvermögen für einen Plömbel im Praktiker Baumarkt (gibt es nicht mehr).

Seither verkörpert er aus tiefster Überzeugung die Figur des HAUSMEISTERs.

2016

Aus der Berufung wurde sein Beruf. DER HAUSMEISTER schleicht sich nun hauptamtlich als freischaffender Künstler in die Herzen seiner Unterhaltungsopfer ein.

Vielleicht kommt er ja bald zu Ihnen?

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